Freitag, 18. September 2015

Rezension zu "Hände" von Paul Senftenberg

Mit »Hände« veröffentlicht der österreichische Autor Paul Senftenberg seinen fünften Roman (so man die Novelle »Der Stammbaum« mitzählt).

Im Zentrum steht Paul Kilian, der aus lieblosen, kalten Familienverhältnissen stammt und (möglicherweise nachdem sein Vater eine Hand verloren hat) eine eigenartige Obsession für Hände und Handprothesen entwickelt. Er trifft auf Manuel, der aus ähnlichen Verhältnissen stammt und durch die Unachtsamkeit seiner Mutter eine Hand verloren hat. In ihm findet Paul das erste Mal ein Objekt für seine Obsession und so behandelt er den Jüngeren auch. Erst mit über 30 trifft Paul auf einen Mann, der ihn trotz seiner gesunden Hände fasziniert und auf den er bereit ist, sich einzulassen.

Anders als in Paul Senftenbergs bisherigen Werken steht hier ein recht großes Figurenensemble im Mittelpunkt und auch die Perspektive wendet sich vielen Figuren zu. Die Geschichte wird in keiner Weise chronologisch erzählt, die Sprünge sind riesig, und doch ist man immer in der Handlung orientiert. Einzig, dass man von Manuel, dessen Geschichte am Anfang viel Raum einnimmt, kaum noch etwas erfährt, seine Geschichte somit keinen Abschluss hat (man hätte ihm auch etwas Glück gewünscht), finde ich bedauerlich.

Wie in der Verlagsbeschreibung angegeben, gibt es einige Szenen, die verstören können. Die Motivation der Figuren ist aber auch in diesen Szenen immer nachvollziehbar und diese gleiten nicht ins extreme oder reißerische ab. Trotz der fetischartigen Obsession der Hauptfigur, der extremen Kälte der Familien und einiger drastischer Szenen und Entwicklungen, bleibt die Geschichte doch stets in der Realität verwurzelt.

Ein ambitionierter Roman, der sich flüssig lesen lässt, jedoch nichts zum schnellen Weglesen ist. Wie immer überzeugt der Autor durch seinen klaren, ausgereiften Stil, der nicht mit einem Wort aus der Rolle fällt. Für mich ist Paul Senftenberg der derzeit beste deutschsprachige Autor schwuler Literatur und das hat er auch mit diesem Werk wieder bewiesen.

Roman 248 Seiten, Homo littera Verlag 2015
eBook 5,49 €
Taschenbuch 12,90 € 

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